Buch – Frau­en, die schau­keln

Vor­wärts­eu­pho­rie, bis einer lan­det. Rück­wärts­bei­läu­fig­keit, bis die Fuß­spit­zen wie­der wie Pfei­le Rich­tung Him­mel zei­gen. Auf und ab. Rauf und run­ter. Hin und her. Oben und unten. Stau­bi­ge Som­mer­nach­mit­ta­ge, unbe­schwer­tes Bauch­krib­beln, die Aben­teu­er­lust im Klei­nen. Die Schau­kel ist ein Sym­bol für Kind­heits­er­in­ne­run­gen, sie steht für Sorg­lo­sig­keit, Über­mut, Fröh­lich­keit und Dyna­mik. Und für das Leben an sich, mit all sei­nen Höhen und Tie­fen.

Die gezeig­ten 68 Fotos sind nur ein klei­ner Teil mei­ner Samm­lung von his­to­ri­schen Ama­teur­fo­to­gra­fien, pri­va­ten Schnapp­schüs­sen und Fami­li­en­auf­nah­men. Gesucht und gefun­den auf den Floh­märk­ten die­ser Welt. „Frau­en, die schau­keln“ ist genau genom­men eine Samm­lung inner­halb einer Samm­lung. Ein Ergeb­nis aus fast zwei Jahr­zehn­ten des Zusam­men­tra­gens, mei­ner Schwä­che für alles Zurück­ge­las­se­ne und der Neu­gier auf die Geschich­ten dahin­ter. Beim Stö­bern in Kis­ten und Kof­fern und beim Durch­blät­tern alter Foto­al­ben rut­schen die ver­blass­ten Erin­ne­run­gen von den Sei­ten. Der zer­brö­ckel­te, ris­si­ge Kle­ber hält unse­re Geschich­te und die von den Frem­den nicht mehr fest. Es gibt kei­ne Gewiss­heit dar­über, wer die Leu­te sind, wo und wie die Fotos auf­ge­nom­men wur­den, was die Per­so­nen vor und hin­ter der Kame­ra gedacht und emp­fun­den haben, mit wel­cher Inten­ti­on der bzw. die Foto­gra­fie­ren­de genau die­ses Motiv gewählt hat. Die Wahr­heit ist wie ein Per­ga­ment­blatt, das die Schwarz-Weiß-Fotos bedeckt. Mil­chig und ver­schwom­men, dies schafft Raum für indi­vi­du­el­le Inter­pre­ta­tio­nen.

„Einer­seits flie­ge ich und den­ke einen Augen­blick lang, es geht immer höher, immer wei­ter. Ande­rer­seits weiß ich: Ich bin trotz allem fest auf der Erde und wer­de gehal­ten.“
Ute Prot­te, Schau­kel­samm­le­rin (1934–2019)

Das ers­te Schau­kel­fo­to einer Frau fand ich an einem kal­ten Novem­ber­mor­gen auf dem Floh­markt in Bre­men Hastedt, auf dem über­dach­ten Park­deck eines Ein­kauf­cen­ters, die Win­ter­aus­ga­be des gro­ßen Trö­del­mark­tes auf der Bür­ger­wei­de hin­ter dem Bahn­hof. Charme und Flair sucht man hier zwi­schen Beton und Stahl­trä­gern ver­ge­bens. Dem Samm­ler­herz ist das egal. Den schon recht klam­men Fin­gern auch. Mit Hand­schu­hen las­sen sich Fotos schlecht durch­schau­en. Dann der Glücks­fund. Wie alle dar­auf­fol­gen­den Bil­der der Serie.

Das Fas­zi­nie­ren­de an der Schau­kel für mich ist gene­rell, dass es ein Gerät ist, das von selbst ange­trie­ben wer­den muss. Auf Nicht­be­we­gung folgt Still­stand. Akti­vi­tät ist Vor­aus­set­zung für Bewe­gung, dabei hat man die Stär­ke des Schwungs selbst in der Hand. Jede her­bei­ge­führ­te Schwin­gung hat Aus­wir­kung auf den Ver­lauf. Es ist die­se Unmit­tel­bar­keit, die mich begeis­tert.

 

Carl Schü­ne­mann Ver­lag 2021
Clau­dia Gra­bow­ski
Frau­en, die schau­keln
Bil­der vom Schwung­ho­len und Frei­sein
156 Sei­ten | € 16,90 [D]
ISBN 978-3-7961-1121-1
Ab 1. Sep­tem­ber im Han­del

Erhält­lich bei Dei­nem loka­len Buch­händ­ler, direkt beim Schü­ne­mann Ver­lag oder ein­fach eine Nach­richt an mich schrei­ben.

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